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ÖSTERREICHISCHE GESELLSCHAFT FÜR EIN HUMANES LEBENSENDE

Selbstbestimmtes Sterben in Würde

Frequently Asked Questions (FAQ)

 

Disclaimer

Die vorliegenden FAQs, erstellt von Dr. W. Proksch, Kanzlei Ethos Legal, Wien, stellen keine rechtliche Beratung in oder rechtliche Beurteilung zu einem konkreten Fall einer Freitodbegleitung dar; es ersetzt daher nicht die rechtliche Prüfung und Beratung in solchen Fällen, und wird jede diesbezügliche Haftung der ÖGHL – soweit gesetzlich zulässig – gänzlich ausgeschlossen.

Erkenntnis des VfGH vom 11.12.2020

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11.12.2020 (G139/2019-71) wurden das generelle Verbot und die Strafbarkeit jeglicher Form der „Mitwirkung am Selbstmord“ mit Wirkung zum 1.1.2022 aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung insbesondere ausgesprochen, dass zur freien Selbstbestimmung zunächst die Entscheidung des Einzelnen gehört, wie er sein Leben gestaltet und führt. Zur freien Selbstbestimmung gehört aber auch die Entscheidung, ob und aus welchen Gründen ein Einzelner sein Leben in Würde beenden will. All dies hängt von den Überzeugungen und Vorstellungen des Einzelnen ab und liegt in seiner Autonomie. Das aus der Bundesverfassung ableitbare Recht auf freie Selbstbestimmung erfasst nicht nur die Entscheidung und das Handeln des Suizidwilligen selbst, sondern auch das Recht des Suizidwilligen auf Inanspruchnahme der Hilfe eines (dazu bereiten) Dritten. Der Suizidwillige kann nämlich vielfach zur tatsächlichen Ausübung seiner selbstbestimmten Entscheidung zur Selbsttötung und deren gewählter Durchführung auf die Hilfe Dritter angewiesen sein. Der Suizidwillige hat dementsprechend das Recht auf selbstbestimmtes Sterben in Würde; dazu muss er die Möglichkeit haben, die Hilfe eines dazu bereiten Dritten in Anspruch zu nehmen.

Allgemeines zur neuen Rechtslage

Mit der Schaffung des Sterbeverfügungsgesetzes (kurz: StVfG) und der Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) sowie des Suchtmittelgesetzes (SMG) wurde der assistierte Suizid entkriminalisiert und detailliert neu geregelt. Das StVfG regelt dabei – in Anlehnung an die bereits früher mögliche Patientenverfügung bzw die diesbezüglichen Bestimmungen im Patientenverfügungsgesetz – die Voraussetzungen einer sogenannten Sterbeverfügung. Letztere ist nötig, um von einer öffentlichen Apotheke ein tödliches Präparat ausgehändigt zu erhalten. Zur Festlegung der zulässigen Präparate wurde am 17.1.2022 die Sterbeverfügungs-Präparate-Verordnung erlassen. Diese sieht als Präparat 15g Natrium-Pentobarbital (NaP) vor sowie zwei Verabreichungs- bzw Einnahmemöglichkeiten: 1. eine Zubereitung für die orale Applikation oder Applikation mittels PEG-Sonde, oder 2. intravenös mit Infusion.

    Im novellierten und umbenannten § 78 StGB „Mitwirkung an der Selbsttötung“, sowie im durch das VfGH-Erkenntnis nicht aufgehobenen § 77 StGB „Tötung auf Verlangen“ ist geregelt, welche Handlungen weiterhin strafbar sind, nämlich:

    Die Tötung auf Verlangen ist wie bisher in jedem Fall strafbar (§ 77 StGB).

    Die Mitwirkung an der Selbsttötung seit 1.1.2022 allerdings nur mehr dann, wenn man entweder eine andere Person dazu verleitet, sich selbst zu töten (§ 78 Abs 1 StGB), oder aber, wenn

    1. einer minderjährigen Person,
    2. einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund
    3. einer Person, die nicht an einer Krankheit im Sinne des StVfG leidet oder
    4. einer Person, die nicht gem § 7 StVfG ärztlich aufgeklärt wurde

    dazu physisch Hilfe leistet, sich selbst zu töten.

    Dies bedeutet, dass die Nichteinhaltung bestimmter Bestimmungen des Sterbeverfügungsgesetzes nicht automatisch eine Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch nach sich zieht. So ist es nunmehr ausdrücklich zulässig – bzw umgekehrt nicht mehr strafbar – wenn man etwa einen todkranken Angehörigen in die Schweiz begleitet, damit dieser dort eine Freitodhilfe in Anspruch nehmen kann, sofern der Angehörige zumindest gem § 7 StVfG vorher ärztlich aufgeklärt wurde. Die Errichtung einer Sterbeverfügung nach dem StVfG ist – um eine Strafbarkeit nach dem StGB zu vermeiden – nicht erforderlich.

    Weder im StGB noch im neuen StVfG findet sich eine sogenannte „Legaldefinition“ dazu, was unter „physischer Hilfe“zu verstehen ist. Aus den parlamentarischen Materialien bzw Erläuterungen zum Sterbeverfügungsgesetz ist aber abzuleiten, dass andere Formen der Hilfeleistung (zB Reisebegleitung in die Schweiz) grundsätzlich zulässig sind, sofern nicht die Tatbestände des § 78 Abs 2 StGB erfüllt sind, also: keine Mitwirkung an der Selbsttötung einer mj Person, einer Person aus einem verwerflichen Beweggrund, einer Person, die nicht an einer Krankheit im Sinne des § 6 Abs 3 StVfG leidet oder einer Person, die nicht gem § 7 StVfG ärztlich aufgeklärt wurde. Auch in diesem Fall empfiehlt es sich aber nach den Erläuterungen, dass sich Sterbewillige und hilfeleistende Personen mit einer entsprechenden Sterbeverfügung „absichern“.

    Das StVfG schreibt vor, dass nur volljährige und entscheidungsfähige Personen, die an einer

    1. unheilbaren zum Tod führenden Krankheit, oder
    2. einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen, deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträgtigen,

    eine Sterbeverfügung errichten können. Die Krankheit muss einen für die betroffene Person nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen.

    Eine nähere Definition dieses Leidenszustandes findet sich in § 6 des StVfG nicht. Aus den Erläuterungen ergibt sich aber, dass die Krankheitsdefinition durch die Kriterien der Gewichtigkeit und Dauerhaftigkeitgekennzeichnet sein soll. Das Kriterium der Gewichtigkeit diene insbesondere dazu, dauerhafte, aber für die betroffene Person leichte oder mittelschwere Krankheiten wie etwa Asthma oder Neurodermitis auszuschließen. Umgekehrt sollen schwere oder voraussichtlich bald abheilende Krankheiten nicht zur Inanspruchnahme des Instituts der Sterbeverfügung berechtigen. Dass die Folgen der Krankheit die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen, dient nach Ansicht des Gesetzgebers in den Erläuterungen zum Gesetz der näheren Konkretisierung der Kriterien der Gewichtigkeit und Dauerhaftigkeit.

    Zur Voraussetzung des „nicht anders abwendbaren Leidenszustandes“ heißt es in den Erläuterungen, dass sich diese ausschließlich nach dem subjektiven Empfinden der Person richtet. Die aufklärende ärztliche Person kann sich daher darauf beschränken, nach Darlegung der Behandlungs- und Handlungsalternativen die Glaubwürdigkeit einer dahingehenden Erklärung der sterbewilligen Person zu beurteilen.

    § 6 Abs 2 StVfG sieht auch vor, dass der Entschluss der sterbewilligen Person, ihr Leben zu beenden, frei und selbstbestimmt insbesondere frei von Irrtum, List, Täuschung, physischem oder psychischem Zwang und Beeinflussung durch Dritte gefasst werden muss.

    Die Entscheidungsfähigkeit muss überdies sowohl zum Zeitpunkt der ärztlichen Aufklärung als auch zum Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung vor einem Notar oder der Patientenanwaltschaft gegeben sein. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass nach § 2 Abs 1 des StVfG niemand verpflichtet ist, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung an der Sterbeverfügung mitzuwirken.

    Sowohl die attestierenden Ärzt*innen als auch die die Sterbeverfügung errichtenden Personen (Notar*innen, Mitglieder der Patientenanwaltschaft) haben die Entscheidungsfähigkeit jedenfalls zu beurteilen. Entscheidungsfähig ist nach § 24 ABGB, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang versteht, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann. Dies wird im Zweifel bei Volljährigen vermutet.

    Eine spezifische Testung wie den MMST (Mini-Mental-Status-Test), nach McArthur, etc findet sich im Gesetz nicht. Aus § 6 Abs 1 letzter Satz StVfG ergibt sich aber, dass die Entscheidungsfähigkeit zweifelsfrei gegeben sein muss. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bei begründeten Zweifeln an der Entscheidungsfähigkeit eine entsprechende Attestierung oder Errichtung der Sterbeverfügung nicht erfolgen darf.

    Wie sich aus § 7 Abs 4 des StVfG auch ergibt, ist bei Hinweisen auf eine krankheitswertige psychische Störung der sterbewilligen Person, deren Folge der Wunsch zur Beendigung ihres Lebens sein könnte, zusätzlich auch eine Abklärung dieser Störung einschließlich einer Beratung durch eine Fachärztin bzw einen Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin oder eine klinische Psychologin bzw einen klinischen Psychologen zu veranlassen. Aus dieser Bestimmung ist allerdings wiederum auch ableitbar, dass psychische Erkrankungen die Errichtung eine Sterbeverfügung nicht per se ausschließt, sondern auch psychisch erkrankte Personen, soferne die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, und sie dennoch entscheidungsfähig im Sinne des § 24 ABGB sind, eine Sterbeverfügung wirksam errichten können.

    Letzteres ergibt sich im Übrigen auch aus den Erläuterungen zum Gesetz zu § 6 Abs 3 Z 1 und 2 des StVfG, welche auf § 120 Z 1 AsVG verweisen, der als Krankheit einen „regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand“ versteht, der eine Krankenbehandlung notwendig macht. Als Krankheit im Sinne des StVfG ist daher eine Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen und/oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen zu definieren und umfasst auch Unfallfolgen.

    Nach § 7 Abs 1 des StVfG hat der Errichtung einer Sterbeverfügung eine Aufklärung durch zwei ärztiche Personen voranzugehen, von denen zumindest eine eine palliativmedizinische Qualifikation aufzuweisen hat, und die unabhängig voneinander bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist, und einen freien und selbstbestimmten Sterbewunsch geäußert hat.

    Die ärztliche Aufklärung muss jedenfalls Folgendes enthalten:

    1. Die im konkreten Fall möglichen Behandlungs- oder Handlungsalternativen, insbesondere Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen, sowie einen Hinweis auf die Möglichkeit der Errichtung der Patientenverfügung oder auf andere Vorsorgeinstrumente, insbesondere Vorsorgevollmacht und Vorsorgedialog.
    2. Die Dosierung und Einnahme des Präparates sowie die Auswirkungen des Präparates und die Dosierung der für die Verträglichkeit des Präparates notwendigen Begleitmedikation,
    3. einen Hinweis auf konkrete Angebote für ein psychotherapeutisches Gespräch sowie für suizidpräventive Beratung und
    4. einen Hinweis auf allfällige weitere im konkreten Fall zielführende Beratungsangebote.

    Es ist zulässig, wenn die Aufklärung durch die Ärzt:innen gleichzeitig bzw gemeinsam erfolgt. Im Falle von Zweifeln an der Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person ist die Abklärung durch eine Psychiaterin oder eine Psychologin zu veranlassen.

    Nach erfolgter Aufklärung hat die ärztliche Person der sterbewilligen Person ein schriftliches Dokument mit

    1. dem wesentlichen Inhalt der Aufklärung
    2. der Bestätigung, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen freien und selbstbestimmten Sterbewunsch geäußert hat
    3. der genauen Dosierungsanordnung auf dem Dokument
    4. das Vorliegen der unheilbaren oder schweren Krankheit im Sinne des § 6 zu errichten und mit Unterschrift zu bestätigen.

    Wie schon erwähnt, ist ein gemeinsames Dokument der beiden aufklärenden Mediziner möglich.

    Die Sterbeverfügung kann nur schriftlich bei einer Notarin / einem Notar oder einer / einem rechtskundigen Mitarbeiterin / Mitarbeiter der Patientenvertretungen (§ 11e des Krankenanstalten- und Kulturanstaltengesetzes), nach Wiedergabe der Dokumentation über die ärztliche Aufklärung und einer Belehrung über rechtliche Aspekte, wie die mögliche Errichtung einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, die strafrechtlichen Grenzen der Hilfeleistung und weiterer Rechtsfolgen, erfolgen.

    Eine Sterbeverfügung kann grundsätzlich frühestens 12 Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Im Falle einer sogenannten „terminalen Phase“ einer zum Tod führenden Krankheit, kann diese Frist auf zwei Wochen verkürzt werden. Die Sterbeverfügung darf auch nur längstens ein Jahr nach der zweiten ärztlichen Aufklärung errichtet werden. Wie schon zuvor erwähnt, muss die Entscheidungsfähigkeit auch zum Zeitpunkt der Errichtung der Sterbeverfügung noch zweifelsfrei gegeben sein. Im Fall von Zweifeln an der Entscheidungsfähigkeit darf eine Errichtung nicht erfolgen.

    Die die Sterbeverfügung dokumentierende Person hat unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift sowie des Datums der Errichtung schriftlich folgendes zu bestätigen:

    1. Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift der sterbewilligen Person, und die Tatsache, dass diese im Sinne des § 6 Abs 2 StVfG ihren freien und selbstbestimmten Beschluss bekräftigt hat;
    2. die Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person;
    3. das Vorliegen der den Vorgaben des Gesetzes entsprechenden Aufklärungen und ärztlichen Bestätigungen.

    Die die Sterbeverfügung errichtende Person muss auch im Sterbeverfügungs-Register überprüfen, ob bereits eine Sterbeverfügung besteht, hat das Original der Sterbeverfügung der sterbewilligen Person auszuhändigen, eine Abschrift aufzubewahren und darüber hinaus eine entsprechende Meldung im Sterbeverfügungsregister zu tätigen, die folgende Informationen zu beinhalten hat:

    1. Identifikationsdaten der sterbewilligen Person;
    2. Identifikationsdaten der in der Sterbeverfügung angegebenen hilfeleistenden Person (auf EN);
    3. Datum der Aufklärungsgespräche und der Errichtung der Sterbeverfügung;
    4. Identifikationsdaten der aufzuklärenden ärztlichen Personen;
    5. Identifikationsdaten des Facharztes bzw Fachärztin für Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin etc im Falle einer speziellen Abklärung nach § 7 Abs 4 StVfG;
    6. allfälliges Vorliegen einer terminalen Phase;
    7. Identifikationsdaten der dokumentierenden Person.

    Nach § 5 StVfG können in der Sterbeverfügung auch eine oder mehrere hilfeleistende Personen angegeben werden. Nach § 6 Abs 4 StVfG darf die hilfeleistende Person jedoch nicht mit der Person ident sein, die die Aufklärung (§ 7 StVfG) leistet oder die Sterbeverfügung dokumentiert (§ 8 StVfG); das heißt, dass die aufklärenden und attestierenden Ärzt:innen und auch die dokumentierenden Notar:innen oder Mitarbeiter:innen der Patientenvertretung als physisch hilfeleistende Personen im spezifischen Fall dann ausscheiden.

    Nach § 10 StVfG verliert eine Sterbeverfügung ihre Wirksamkeit, wenn sie die sterbewillige Person widerruft oder zu erkennen gibt, dass sie nicht mehr wirksam sein soll, sowie nach Ablauf eines Jahres nach ihrer Errichtung. Bemerkenswerterweise sieht das Sterbeverfügungsgesetz aber nicht vor, dass ein einmal zulässigerweise ausgehändigtes Präparat nach Ablauf der Wirksamkeit der Sterbeverfügung zurückgegeben werden muss. Vielmehr ist sogar vorgesehen, dass bei Verlust oder Diebstahl des Präparats ein Vermerk auf der Sterbeverfügung angebracht werden kann, sodass ein neues Präparat ausgehändigt werden kann, sofern wiederum keine Zweifel an der Zuverlässigkeit der verwahrenden Person bestehen (§ 8 Abs 4 StVfG).

    Zur Abgabe des Präparats sind nur öffentliche Apotheken, nicht jedoch Hausapotheken oder Anstaltsapotheken berechtigt. Vor Ausfolgung hat eine Identitätsfeststellung und eine Überprüfung der Sterbeverfügung zu erfolgen. Weiters muss von der Apotheke auch Einsicht in das Sterbeverfügungsregister genommen werden, ob eine Abgabe bereits davor erfolgt ist. Die Ausfolgung des Präparats darf sodann nur in der in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung sowie samt der erforderlichen Begleitmedikation (zur Verträglichkeit der Einnahme) geschehen. Abgegeben werden darf nur an die sterbewillige Person selbst oder die in der Sterbeverfügung namentlich genannte hilfeleistende Person. Abgabe hat in einem plombierten Sicherheitsgefäß zu erfolgen. Sowohl die Abgabe, als auch eine allfällige Rückgabe ist im Sterbeverfügungsregister einzutragen.

    In § 11 Abs 3 StVfG ist vorgesehen, dass die sterbewillige Person das Präparat durch geeignete, den jeweiligen Umständen entsprechende Maßnahmen gegen eine unbefugte Entnahme zu sichern und im Falle einer Aufgabe ihres Sterbewillens bei der Apotheke zurückzugeben hat.

    Eine „automatische“ Rückgabeverpflichtung bei Ablauf der Wirksamkeit der Sterbeverfügung ist jedoch – wie oben schon erwähnt – im Gesetz nicht vorgesehen. Die Apothekerkammer hat eine jeweils aktuell zu haltende Liste der Apotheken zu erstellen, bei denen ein Präparat ausgefolgt wird. Diese Liste ist zumindest auch der Österreichischen Notariatskammer und den Patientenanwaltschaften zur Weitergabe an jene Personen zu überlassen, die Sterbeverfügungen dokumentieren. Das bedeutet, dass zumindest die Patientenvertretungen und jene Notarinnen und Notare, die bereit sind, Sterbeverfügungen zu errichten, über jeweils aktuelle Listen von Apotheken, die Präparate abgeben, verfügen sollten.

    In der am 17.1.2022 kundgemachten und rückwirkend mit 1.1.2022 in Kraft getretenen Sterbeverfügungs-Präparate-Verordnung wird als Präparat im Sinne des StVfG Natrium-Pentobarbital festgelegt. Unter § 3 der Verordnung werden als Einnahmeform die

    • orale Zubereitung (orale Applikation oder Applikation mittels PEG-Sonde) oder
    • intravenös mit Infusion

    festgelegt.

    Weiters finden sich in der Verordnung Vorgaben für die Dosierung des Präparates (15g des Reinwirkstoffs), sowie zur notwendigen Begleitmedikation zur Verträglichkeit, und schließlich zur Verpackung und Etikettierung.

    Trotz massiver und von vielen verschiedenen Seiten vorgetragener Kritik im Vorfeld respektive in den Stellungnahmen zum Entwurf des Sterbeverfügungsgesetzes, hat der Gesetzgeber die Einnahme des Präparats bzw die Durchführung des assistierten Suizids darüber hinaus völlig ungeregelt gelassen. Die Einnahme des Präparats kann daher durch die sterbewillige Person allein bzw ohne fremde physische Hilfeleistung erfolgen, sie kann mit Unterstützung daheim, im Pflegeheim, im Krankenhaus oder wo auch immer geschehen. Nur im Umkehrschluss aus der weiterhin bestehenden Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen, und im Zusammenhalt mit der Sterbeverfügungs-Präparate-Verordnung, die auch eine intravenöse Einnahme vorsieht, ist ableitbar, dass das Legen der Leitung oder Auflösen des Präparats in Wasser eine zulässige physische Hilfe im Sinne des Sterbeverfügungsgesetzes ist, und auch eine Venenkanüle oder eine Magensonde von Dritten gesetzt werden darf, sofern dann die Zuführung des Präparats von der sterbewilligen Person selbst in Gang gesetzt wird.

    Das Sterbeverfügungsgesetz sieht keine ärztliche Verschreibung des Präparats vor, sondern eine Abgabe durch öffentliche Apotheken gegen Vorlage der Sterbeverfügung.

    Das Sterbeverfügungsgesetz regelt in § 2 die „Freiwilligkeit der Mitwirkung“ respektive den Umstand, dass niemand verpflichtet ist, eine Hilfeleistung zu erbringen, eine ärztliche Aufklärung durchzuführen oder an der Errichtung einer Sterbeverfügung mitzuwirken, was in der Praxis die Zugänglichkeit dieser Leistungen wohl massiv erschweren wird. Darüber hinaus ist – wie in der seinerzeitigen Stellungnahme an das Ministerium auch schon aufgezeigt – zu befürchten, dass das Diskriminierungsverbot, wonach niemand wegen einer Hilfeleistung, einer ärztlichen Aufklärung oder der Mitwirkung an der Errichtung einer Sterbeverfügung in welcher Art immer benachteiligt werden darf, in praxi zahnlos bleiben wird.

    Fraglich erscheint, ob Heime oder Krankenanstalten tatsächlich berechtigt wären, die Inanspruchnahme von physischer Sterbehilfe in ihren Häusern zu untersagen. Dies liefe wohl dem vom Verfassungsgerichtshof klar statuierten Recht auf eine selbstbestimmte und würdevolle Beendigung des eigenen Lebens zuwider. Zwar könnten Heime oder Krankenanstalten mit dem in Art. 9 StGG auf verfassungsrechtlich verankerten Hausrecht argumentieren, und etwa in ihren Hausordnungen vorsehen, dass „professionelle SterbehelferInnen“ oder Sterbihilfeorganisationen keinen Zugang zum Haus erhalten. Das Recht einer sterbewilligen Person, auch (unkontrollierte) Besuche einer möglicherweise hilfeleistenden Person zu erhalten, wird schwerlich beschneidbar sein.

    Sofern wie auch immer geartete Zweifel an

    • der Richtigkeit der ärztlichen Atteste,
    • der Wirksamkeit der vorgelegten Sterbeverfügung (Achtung: ist nur 1 Jahr gültig!),
    • dem aufrechten Sterbewunsch, oder
    • der Volljährigkeit und Entscheidungsfähigkeit der sterbewilligen Person 

    bestehen, darf eine physische Hilfeleistung = Suizidassistenz unter keinen Umständen stattfinden, da sonst ein Strafverfahren nach den Bestimmungen der §§ 77, 78 StGB (Tötung auf Verlangen, Mitwirkung am Suizid) oder sogar § 75 StGB (Mord) gegen die hilfeleistende Person eingeleitet werden könnte.

    Zwei Bestimmungen, die von möglichen Helfer*innen ebenfalls strengstens zu beachten sind, um sich nicht der Gefahr hoher Verwaltungsstrafen oder gar einer gerichtlichen Strafe auszusetzen, und die  bzw die Tätigkeiten von Sterbehilfeorganisationen in Österreich de facto unmöglich machen, finden sich in § 12 StVfG: Dort ist sowohl ein Werbeverbot als auch ein Verbot wirtschaftlicher Vorteile geregelt. Nach § 12 Abs 1 StVfG ist es verboten, mit der (physischen) Hilfeleistung iSd StVfG zu werben. Das Verbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietetankündigt oder anpreist.

    Nach § 12 Abs 2 StVfG ist es immerhin zulässig, eine sterbewillige Person auf die Möglichkeit der Errichtung einer Sterbeverfügung nach diesem Bundesgesetz hinzuweisen. Jedenfalls zulässig ist der Hinweis

    1. von ärztlichen Personen und der Österreichischen Ärztekammer darauf, dass sie eine Aufklärung nach § 7 anbieten bzw wo eine Aufklärung angeboten wird,
    2. von dokumentierenden Personen, der Österreichischen Notariatskammer und den Patientenvertretungen darauf, dass sie eine Dokumentation von Sterbeverfügungen vornehmen bzw wo eine Sterbeverfügung errichtet werden kann, oder
    3. von Apotheken und der Österreichischen Apothekerkammer darauf, dass sie ein Präparat unter den Bedingungen des § 11 abgeben bzw welche Apotheken das Präparat abgeben.

    Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Werberecht im Allgemeinen, und die fehlende Spezifizierung dieses Begriffs im StVfG, ist der Begriff „Werbung“ wohl weit zu verstehen, und ist – um Übertretungen dieses Verbots zu vermeiden – jedefnalls Vorsicht geboten. Unter „Werbung“ bzw „kommerzielle Kommunikation“ fällt jede auf den Absatz von Waren und/oder die Erbringung von Dienstleistungen ausgerichtete Kommunikation an Dritte. Bereits ein bloßes „Angebot“ gilt als Werbung.

    Die Zugänglichkeit von Sterbehilfe wird in der Praxis mit Sicherheit auch durch das rigide „Verbot wirtschaftlicher Vorteile“ erschwert werden:

    Nach § 12 Abs 3 StVfG ist es verboten, sterbewilligen Personen eine Hilfeleistung anzubieten oder diese durchzuführen, wenn man sich oder einem Dritten dafür wirtschaftliche Vorteile versprechen lässt oder annimmt, die über den Ersatz des nachgewiesenen Aufwands hinausgehen.

    Nach § 13 StVfG sind Übertretungen sowohl des Werbeverbots als auch des Verbots wirtschaftlicher Vorteile mit Geldstrafen bis zu € 30.000,--, im Wiederholungsfall bis zu € 60.000,-- verwaltungsstrafrechtlich zu bestrafen. Beim Werbeverbot ist sogar der Versuch strafbar.

    So wie allerdings das Werbeverbot in § 12 Abs 1 des StVfG derzeit formuliert ist, wäre es wohl sogar verboten, auf einer Webseite auch nur über den Umstand zu informieren, dass man selbst oder ein Anderer zu einer physischen Hilfeleistung im Sinne des StVfG bereit ist (ergo:…“Das Werbeverbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist“).

    Auch in den Erläuterungen zum Gesetz findet sich der Hinweis, dass es beim Werbeverbot im Wesentlichen um ein „Anpreisen“ gehe, das an einen unbestimmten Teilnehmerkreis gerichtet sei. Das Ansprechen bestimmter Personen, um bei ihnen einen Entschluss zum Suizid zu wecken, sei hingegen weiterhin als „Verleiten“ nach § 78 Abs 1 StGB strafbar. Wie den Erläuterungen immerhin auch zu entnehmen ist, soll es mit Hinweis auf § 12 Abs 2 StVfG ausdrücklich zulässig sein, eine Person, die einen Sterbewunsch äußert, über die Möglichkeiten nach diesem Bundesgesetz aufzuklären. Dadurch solle das „Gespräch mit einer sterbewilligen Person enttabuisiert“ werden.

    Attestierende und bestätigende Ärzte oder eine Sterbeverfügung dokumentierende Personen dürfen zwar nach § 12 Abs 2 darauf hinweisen, dass sie diese Dienstleistung anbieten. Die Erläuterungen halten dazu auch fest, dass diese Dienstleistungen ohnedies keine Hilfeleistung im Sinne des StVfG sind. In den Erläuterungen wird andererseits aber auch festgehalten, dass eben nur Hinweise erlaubt sind; als „Hinweis“ gilt indes keine Werbung in Plakaten, Broschüren oder Handzetteln. Damit ist es also offenbar sogar Ärzten oder Notaren verboten, auch nur in Broschüren oder Handzetteln diese Dienstleistungen zu nennen.

    Nach dem Willen des Gesetzgebers und den Erläuterungen zum Gesetz soll das Verbot des § 12 Abs 3 StVfG bewirken, dass der hilfeleistenden Person durch die Hilfeleistung keine über den nachgewiesenen Aufwand hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteile (auch nicht im Wege letztwilliger Verfügungen bzw Testamente oder Legate) zufließen.

    Auf der Seite des Bundesministerium für Justiz finden Sie Informationen über Sterbehilfe in Österreich in einfacher Sprache: https://www.bmj.gv.at/service/Leichter-Lesen/Sterbehilfe.html